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Palliative und spirituelle Hilfe in Tansania

"Inuka" – das ist Swahili und bedeutet "erhebe dich". Es ist der Name für unser gemeinsames Projekt mit dem Palliativ-Team des Selian Hospizes im Norden Tansanias, das unheilbar kranke Menschen mit palliativer Betreuung und spiritueller Begleitung unterstützt.
Die Weite im Norden Tansanias
Gemeinsam mit dem Palliativ-Team des Selian Hospiz im Norden Tansanias unterstützen wir unheilbar kranke Menschen mit palliativer Betreuung und spiritueller Begleitung.
©Adobe StockFoto: Adobe Stock

Spenden Sie für palliative und spirituelle Hilfe

Das gemäßigte Klima in Tansanias Norden ist normalerweise sehr angenehm. Doch heute zieht dichter, kalter Nebel durch die Großstadt Arusha. Sie gilt als hoch entwickelt und ist ein beliebtes Ziel für Touristen. Doch wir besuchen den Bezirk Unga Limited – einen Slum. Der Stadtteil ist nach einem großen Industrieareal benannt und Wohnstätte für die Ärmsten der Armen. Einfache Baracken stehen eng aneinander, gebaut aus dem, was die Menschen dort finden konnten. Eine offene Kanalisation leitet Abwässer an den unbefestigten Wegen entlang. Kriminalität und Gewalt sind an der Tagesordnung. Hier wohnt niemand freiwillig, sondern nur, weil er es sich andernorts nicht leisten kann. Die Menschen dort schlagen sich mit Gelegenheitsjobs und Kleinkriminalität durchs Leben. Entsprechend hoch ist die Rate der HIV-Infizierten und in der Folge der Krebserkrankungen und Schlaganfälle. Einen Arztbesuch oder gar einen Klinikaufenthalt kann sich hier indes niemand leisten.

Trost und Seelenwärme

In dieser trostlosen Umgebung sind die Freiwilligen des Palliativ-Teams vom Selian Hospiz unterwegs, das von Difäm Weltweit unterstützt wird. Sie suchen Patientinnen und Patienten, die im letzten Abschnitt ihres Lebens palliative und spirituelle Begleitung benötigen, und leisten Hilfe von unschätzbarem Wert für die Betroffenen. Das Team betreut die Menschen nicht nur persönlich, sondern bietet ihnen und ihren Angehörige auch sogenannte Day-Care-Tage an: Neben einem Gottesdienst und einer warmen Mahlzeit gibt es Raum für Gespräche. Gesundheitsarbeitende versorgen die Patienten mit den nötigsten Medikamenten. Pfarrer und Sozialarbeiterinnen hören den Menschen mit all ihren Sorgen zu und spenden Trost und Seelenwärme, so gut es geht. Oft geht es dabei um ungelöste Familienprobleme, die im Zuge der Erkrankungen auftreten. Oder um die pure Verzweiflung unheilbar Kranker im Angesicht des Todes.

Unerwarteter Besuch

Heute ist in Unga Limited ein solcher Day-Care-Tag. Das Gebäude, in dem die Veranstaltung stattfindet, ist sehr einfach – eine Hütte, wie hunderte andere hier. Zum offiziellen Beginn sind nur wenige Menschen da, aber Stück für Stück füllt sich der Raum. Als alle da zu sein scheinen und der Gottesdienst beginnen soll, ist von draußen Getöse zu hören. Am Eingang erscheint ein Mann. Zwei Helferinnen stützen ihn links und rechts. Das Laufen fällt ihm offensichtlich sehr schwer. Ein Blick in sein junges Gesicht erklärt, warum. Es ist halbseitig gelähmt, wie der ganze Körper.

Applaus für die Strapazen

Der junge Mann heißt Roberto. Der 34-Jährige ist, wie so viele hier, HIV-positiv und bereits an AIDS erkrankt. Als Folge erlitt er einen schweren Schlaganfall. Schmerzhafte Spasmen krampften seine Hände und Füße in groteske Formen. Völlig hilflos wartete er in seiner dunklen Hütte auf den Tod. So fand ihn das Palliativ-Team des Selian Hospiz vor und bot Hilfe an. Es startete eine HIV-Therapie und behandelte die schmerzhaften Spasmen mit Medikamenten. Wenn Roberto das Bedürfnis danach hatte, beteten sie gemeinsam. Zudem rief das Team die Familie zusammen und erklärte den Mitgliedern, wie Roberto mit regelmäßigen krankengymnastischen und ergotherapeutischen Übungen geholfen werden kann. Und die Familie zog mit – was in diesem Kulturkreis keine Selbstverständlichkeit ist. Die Angehörigen trainierten mit Roberto. Gleichzeitig gaben sie ihm das Gefühl, dass er nicht alleine ist und sich jemand um ihn kümmert.

Damit waren sie offensichtlich sehr erfolgreich: Wenige Monate nach dem ersten Besuch des Palliativ-Teams steht Roberto jetzt in der Tür der Day-Care-Veranstaltung. Als die anderen Teilnehmer ihn sehen und merken, wie weit sich sein Zustand verbessert und welche Anstrengung er auf sich genommen hat, brandet spontan Applaus auf. Roberto ist erschöpft. Der nur 300 Meter lange Weg hierher hat ihm alles abverlangt und die Strapazen sind ihm deutlich anzusehen. Aber unter dem Applaus und Zuspruch der Gemeindemitglieder blüht er regelrecht auf und ein halbes Lächeln huscht über sein Gesicht.

Inuka – steh auf

Das Beispiel von Roberto zeigt, welchen großen Unterschied palliative und spirituelle Betreuung für die Betroffenen machen. Die täglichen Übungen und das Training haben ihn mobil gemacht. Aber es ist der seelische Beistand seiner Familie und der Gemeinde, der ihm die Kraft gibt aufzustehen. Trotz seiner schweren Erkrankung und trotz seiner Schmerzen kann er sein Leben auskosten. Er kann nicht mehr reden und nur mit viel Unterstützung gehen. Aber er kann draußen vor seiner Hütte sitzen – dort wo sich das Leben abspielt. Er ist wieder Teil der Gemeinschaft. Roberto wird nicht lange überleben. Dafür ist seine Erkrankung zu weit fortgeschritten, und eine Behandlung nach westlichen Maßstäben wäre hier ohnehin nicht möglich. Aber er hat für seine letzten Wochen und Monate ein Stück Lebensqualität zurück – und seine Würde.

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